Tenuta San Guido – vom Tafelwein zum Supertoskaner
Zu ihrem zehnjährigen Hochzeitstag suchte Marchese Mario Incisa della Rocchetta für sich und seine Gattin ein Heim – und fand es in den 1940er-Jahren in der toskanischen Maremma: Ein weiß getünchtes Haus, das nicht nur über einen großen Garten, sondern auch genügend Rebfläche verfügte, seinem Hobby zu frönen. Denn bei einem früheren Aufenthalt in der benachbarten Grande Nation hat der neue Eigentümer der Tenuta San Guido nicht nur Weine genossen, sondern auch Interesse am Anbau gezeigt. Überzeugt, dass französische Rebsorten italienischen Trauben in Frische und Komplexität voraus waren, schmuggelte er nach unbestätigter Überlieferung Klone einer Selection Massale vom Château Latour aus Pauillac eigenhändig durch den Grenzzoll. Und pflanzte diese dann auf seine Parzelle.
Der erste Supertoskaner mit eigener DOC
Was als privates Vergnügen begann, entwickelte sich auf Drängen des inzwischen erwachsenen Sohnes Nicolò im Laufe der Zeit zu einem der heute berühmtesten Weingüter der Region. Der erste offizielle Jahrgang wurde 1968 vorgestellt und beeindruckte sofort die internationale Weinwelt. Ein Franzose aus Italien, ein italienischer Bordeaux – die Lobeshymnen überschlugen sich. Zu seinem Namen Sassicaia kam das Flaggschiff der Tenuta San Guido aufgrund des steinhaltigen, kiesigen Bodens der Parzelle – denn „sassi“ wird schlicht mit „Steinen“ übersetzt. Zunächst aufgrund eines Vermarktungsverbots französischer Rebsorten für italienische Qualitätsweine als Vino da Tavola bezeichnet, wurde er nach Aufhebung dieser strikten Anordnung zum ersten Vertreter der Supertoskaner – ein Begriff, der für toskanische Weine verwendet wird, die aus ausländischen Rebsorten gekeltert werden.
In noch einer anderen Hinsicht ist die Tenuta San Guido ungeschlagen: Nicht nur wurde 1994 auch durch ihr Betreiben die DOC Bolgheri ins Leben gerufen, die heute fast 60 Weingüter der Region umfasst. Wegen des außerordentlichen Erfolges wurde für den Sassicaia sogar eine eigene Sub-DOC gegründet: Die ‚Bolgheri Sassicaia’ ist die bislang weltweit einzige DOC, die nur zu einem Weingut gehört – ein Mythos war geboren.
Konventioneller Anbau, sorgfältige Kelterung
Heute verwaltet diesen Mythos in der dritten Generation Nicolòs Tochter Priscilla. Ihr zur Seite steht der erfahrene Önologe Giacomo Tachis. Inzwischen auf 90 Hektar angewachsen, verteilen sich die Rebflächen auf Parzellen in Höhen von bis 400 Metern mit teilweise steilen Hängen über dem Meeresspiegel in einer Spitzenlage rund um Quercione und Aia Nuovas in der toskanischen Provinz Livorno gut zehn Kilometer von der Küste entfernt. Die Trauben gedeihen im mediterranen Klima, die Bewirtschaftung erfolgt auf konventionelle Weise. Angebaut werden die Sorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Sangiovese und Merlot.
Die erste Kellerei befand sich direkt unterhalb der mittelalterlichen Burg Castiglioncello, doch mit zunehmendem Erfolg und dem Ankauf immer weiterer Weinberge wurde mehr Platz benötigt. So erwarben die Eigentümer der Tenuta San Guido in den 1960er-Jahren eine neue Kellerei mit zentraler Lage sowie weitere Kellerräume im Jahr 2007. In allen Fällen erfahren die Trauben die gleiche Behandlung – einer erneut sorgfältigen Selektion am Sortiertisch folgt eine sanfte Pressung, Entrappung und Fermentierung in temperaturkontrollierten Edelstahltanks auf der eigenen Hefe. Am Ende reifen die Weine in französischen Barriques.
Die drei Weine der Tenuta San Guido
Drei Weine produziert die Tenuta San Guido: Ihren international berühmten Sassicaia, der nach seiner malolaktischen Gärung für zwei Jahre in einem Drittel neuer und zwei Drittel alter Eiche reift. In der Regel wird die Assemblage aus 85% Cabernet Sauvignon und dem Rest Cabernet Franc zusammengestellt. Der Zweitwein Guidalberto wurde erstmals im Jahr 2000 veröffentlicht. Auch hier dominiert Cabernet Sauvignon, statt Cabernet Franc wird der Blend mit 30% Merlot produziert. Schließlich können Sie mit dem Le Difese 70% Cabernet Sauvignon und 30% Sangiovese genießen.
