Inglenook – Kaliforniens ältestes Weingut
Inglenook Vineyard gilt als das älteste Weingut im US-Bundesstaat Kalifornien. Doch seine Geschichte war wechselhaft, und eigentlich hat sich der Kreis zwischen dem Ersterwerb im späten 19. Jahrhundert und der Wiederzusammenführung des gesamten ursprünglichen Estates erst vor einigen Jahren wieder geschlossen. Doch der Reihe nach…
Vom finnischen Seefahrer zum amerikanischen Regisseur
Er stammte weder aus einer Winzerdynastie, noch hat er sich vor dem Erwerb seines eigenen Weinguts je mit Rebstöcken, Trauben und Vinifizierung beschäftigt. Doch Schiffskapitän Gustave Niebaum wollte nach Jahren auf der See sesshaft werden – und so verwirklichte er sich 1879 mit dem Erwerb des Grundstücks Inglenook und der angrenzenden Rohlwing-Farm seinen Traum eines amerikanischen Weinguts. Er begann, sich einzulesen in die Kunst der Weinherstellung, in Terroirs und Klone, Gärung und Fassreifung. Und als nach der achtjährigen Bauphase Château und Keller fertiggestellt waren, galten sie sofort als technische Wunderwerke der damaligen Zeit. Gustave Niebaum war es auch, der in Kalifornien den Trauben-Sortiertisch einführte, und selbst die erste Abfüllanlage hatte der Staat dem Autodidakten aus Finnland zu verdanken.
Bereits während der Neugestaltung des Anwesens erfolgte 1882 die erste Lese und Abfüllung. Mit zunehmender Bekanntheit erwarb der frisch gebackene Winzer nach und nach weitere Parzellen in der Nachbarschaft, und schon innerhalb des ersten Jahrzehnts seiner Tätigkeit konnte sich Gustave Niebaum sowohl über zahlreiche Auszeichnungen freuen, als auch über die Ehre, seinen 1891er-Jahrgang an das Weiße Haus in Washington zu liefern. Aus einem ehemaligen Schiffskapitän wurde ein Vorbild für viele junge Winzer bei der Kreation ihrer eigenen Kultweine.
Jahre der Zerschlagung
Mit John Daniel Jr. übernahm 1939 ein Großneffe des Gründers die Leitung von Inglenook. Trotz der noch zu spürenden Folgen der vergangenen Prohibition, betrug die Produktionsmenge gleich bei seinem ersten Jahrgang rund 80.000 Gallonen. Doch der Erfolg hielt nicht an. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs und der folgenden wirtschaftlichen Krisen stückelte er den Besitz und entschied sich 1964 schließlich zum Verkauf von zunächst 25 Hektar Weinbergen. Das Gebäude mit den umliegenden Anbauflächen blieb noch im Besitz der Witwe, bis sie es bis 1975 an den US-amerikanischen Regisseur Francis Ford Regisseur und seine Ehefrau veräußerte. Eigentlich war das Paar nur auf der Suche nach einem Ferienhaus zur Erholung zwischen den Drehpausen. Doch schnell erkannten die beiden das Potenzial der Anbauflächen, erfuhren alles über die Anfänge des Weinguts und beschlossen, es als Niebaum-Coppola Estate Winery professionell fortzuführen – denn die Namensrechte an Inglenook waren nicht im Kauf inkludiert.
Zurück auf Anfang
Die folgenden Jahre führten das kalifornische Weingut nach und nach zurück zu den Anfängen und zugleich wieder an die Spitze der kalifornischen Winzer. 1995 gelang es den neuen Eigentümern, die letzten verbliebenen Parzellen des ursprünglichen Inglenook Weingutes einschließlich des historischen Hauptgebäudes zurückzukaufen, sieben Jahre später erweiterten sie ihr Anwesen um die benachbarten J.J. Cohn Vineyards. Und 2003 schließlich begannen sie mit dem Bau ihrer berühmten Infinity Caves – einem weitreichenden Kellergewölbe, das direkt hinter das Château in den Hang integriert und zunächst fast ausschließlich zur Lagerung alternder Weine genutzt wurde. 2018 legten sie hier erneut Hand an und ließen eine hochmoderne Weinherstellungsanlage erschaffen, die mit 120 Gärtanks erlaubt, die Trauben jeder einzelnen Parzelle separat auszubauen.
Kurz zuvor bereits folgten die Coppolas der Empfehlung ihres damaligen Beraters Philippe Bascaules und leiteten einen 50-jährigen Wiederbepflanzungszyklus ein. Dabei werden pro Jahr durchschnittlich 2% aller Weinbergblöcke neu bepflanzt, das Durchschnittsalter der Reben auf dem Gesamtareal beträgt damit stets um die 25 Jahre. Der Lesezeitpunkt wurde generell nach vorne verlagert, ein schonendes Entrappen eingeführt sowie die Nutzung kleiner Erntekisten.
Ein gutes Buch bei einem guten Glas Wein
Seit 2011 darf das kalifornische Weingut wieder seinen originalen Namen Inglenook führen. Der Begriff selbst leitet sich übrigens aus dem Schottischen ab und lässt sich mit „komfortable Ecke“ übersetzen. Gemütlich könnten Sie es sich auch in der Bibliothek der University of California in Davis machen und sich dort in die ehemalige Lektüre des Gründers einlesen. Denn sein Wissen rund um Önologie eignete sich Gustave Niebaum durch schriftliche Ratgeber an – so viele, dass die inzwischen gestiftete Privatsammlung zu den wertvollsten rund um das Thema Weinbau zählt. Doch auch ein gutes Buch zu Hause hat seine Vorteile – denn dabei können Sie einen der exquisiten Weine von Inglenook genießen. Und das Ergebnis zeigt Ihnen ja eigentlich, was in den Büchern stehen muss…